03.04.2004: Kommt zum Wir-Wollen-Alles-Block!  
ACT! // 11.03.2004
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Am 3.4.2004 findet der europaweite Aktionstag gegen Sozialabbau statt. Wir werden uns an der Demonstration in Berlin mit dem "Wir wollen alles" Block beteiligen. Denn Gründe auf die Strasse zu gehen gibt es genug. Hier nun unser Aufruf zur Demo.

Raus aus der Scheisse, rauf auf die Barrikaden. Die Zeiten sind gekennzeichnet vom Abbau der Sozialleistungen, dem Sparkurs der öffentlichen Haushalte, Kürzungen an Schulen und Unis, Privatisierung der medizinischen Versorgung, Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und der Verschärfung der Armut durch die Agenda 2010. In der neoliberalen Kosten-Nutzen Rechnung tauchen finanzielle Aufwendungen für unser Leben nur als lästige Unkosten auf. Deshalb sagen wir am 3. 4. 2004, dem europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau, „Ya Basta“ und rufen auf zum „Wir wollen alles“ Block auf der Großdemonstration in Berlin.

Wir wollen den Staat, der uns gerade ärmer macht, nicht um Verschonung bitten. Es geht uns nicht darum, doch noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen, wir wollen die ganze Bäckerei. Wir wissen, für alle Menschen (ja, wir meinen wirklich alle) wäre heute ein reiches Leben mit wenig Arbeit möglich, allerdings nicht in dem, was Marktwirtschaft genannt wird. Obwohl Deutschland Exportweltmeister ist, wächst mit der Größe des Kapitals nicht der allgemeine Reichtum, sondern die Kluft zwischen Arm und Reich. Je produktiver produziert wird, umso weniger Arbeitskraft wird gebraucht. Was ja eigentlich nicht schlecht wäre, wenn damit nicht gleichzeitig die soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung derjenigen verbunden wäre, die eben nicht mehr nützlich im Sinne des Kapitals erscheinen. Man teilt uns mit, unser Lebensstandard ließe sich nicht mehr mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Nation vereinbaren. Die Wirtschaft könne sich diese Ausgaben nicht mehr leisten. Deshalb teilen wir ihnen mit, dass sich unser Leben nicht mit ihrer Wirtschaft verträgt. Wenn es uns schlechter gehen soll, damit es der Wirtschaft besser geht, kann es für uns nur eines geben: die Verhältnisse müssen umgeworfen werden.

Willkommen im Jahr 2004, dem Jahr der Sozialstaatsreform. Man sagt uns, die Verarmung der Bevölkerung mit Hilfe von Reformen sei nötig, da die ökonomischen Sachzwänge eines immer mehr entfesselten Weltmarktes nichts anderes zulassen. Seltsam dabei ist, dass genau diejenigen, deren Politik die harte Konkurrenz auf dem Weltmarkt organisiert, sich ihren Staatsbürgern als Opfer eben dieser Konkurrenz präsentieren. Diejenigen, die die politischen Voraussetzungen für den Krieg der Waren einrichten, behaupten, es ginge nicht anders, weil ‘die Ökonomie’ es so wolle. Als ob ‘Politik’ und ‘Ökonomie’ zwei völlig getrennte Sphären wären. Tatsächlich ist es erst die staatliche Gewalt, die die kapitalistische Verwertung in Szene setzt, wenn sie die, die den gesellschaftlichen Reichtum herstellen, vom Reichtum und der Verfügung über die Produktionsmittel ausschließt und der gegenseitigen Konkurrenz unterwirft. Man mag es als Teil einer Gehirnwäsche ansehen, wenn Staatsbürger das System der gewaltsam eingerichteten Konkurrenz als einzig mögliches und naturnotwendig ansehen, wenn sogar Gewerkschaften und Linksparteien in den Reform-Chor mit einstimmen. Wir pfeifen aufs demokratische Mitbestimmen bei dieser blödsinnigen Veranstaltung, da wir weder über „schonende“ Reformen noch über die Bedingungen der eigenen Ausbeutung verhandeln wollen.

Der Sozialstaat ist das Resultat der politisch-sozialen Kämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts und dennoch, ja sogar gerade deshalb ein Instrument der sozialen Befriedung. Er ist das Eingeständnis des Staates, dass der Lohn nicht ausreicht, um für Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Sonst wären die Zwangsabgaben ja nicht nötig. Insbesondere im Kontext der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion nach dem zweiten Weltkrieg war der Ausbau des Sozialstaates grundlegend für die politische Legitimation. Wenn nun verkündet wird, dass „dieser Sozialstaat nicht mehr finanzierbar“ sei, fragt man sich, wieso das, was vor 10 bis 20 Jahren noch möglich war, plötzlich zu teuer sein soll? Die Produktivität der Arbeit ist in dieser Zeit rasant gestiegen. Allerdings nicht nur in der BRD, auch in den restlichen HighTech Nationen hat sich die Arbeitsleistung vervielfacht. Wenn Unternehmen in solch einer Situation ihre Ware nicht mehr loskriegen, weil sie so erfolgreich und zuviel davon produziert haben, führt das dazu, dass der einzige Zweck ihrer Produktion, die Vermehrung von Geld in Gefahr gerät. In solch einem Fall fällt den Vertretern des Kapitals immer nur das eine ein: Der Herstellungsprozess der Ware ist zu teuer, die Löhne müssen runter. Anscheinend kann das Kapital beim Akkumulieren auf den Inhalt der kleinen Geldbeutel ganz gut verzichten. Wir können nicht darauf verzichten und meinen, es ist an der Zeit, der Umverteilung von unten nach oben den Kampf anzusagen. Da der Lohn das Mittel ist, seine Empfänger von der Verfügung über den gesellschaftlichen Reichtum auszuschließen, ist der Kampf erst gewonnen, wenn die Lohnarbeit abgeschafft ist.

In den Staat, der Umstrukturierungen und Privatisierungen betreibt und die Ausgrenzung breiter Teile der Gesellschaft vom bestehenden Reichtum organisiert, setzen wir keine Hoffnung. Es ist ein Trugschluss, mit appellativen Forderungen an den Staat so zu tun, als ob er für uns da wäre. Soziale Rechte werden erkämpft, nicht erbettelt. Wenn der Widerstand gegen die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen erfolgreich sein soll, so darf er sich nicht auf den Raum zwischen Bratwurstbude und Brandenburger Tor beschränken. Widerstand muss da ansetzen, wo es ihnen weh tut. Widerstand muss ungebührlich, unversöhnlich und maßlos sein.

Wir wollen alles: Das heißt für uns, dass wir nicht länger hinnehmen wollen, dass Menschen an ihrer Verwertbarkeit gemessen werden. Das heißt für uns, dass wir nicht länger hinnehmen wollen, dass Frauen wieder zurück in die Familie gedrängt werden, dass sie diejenigen sind, die den Großteil der am schlechtesten entlohnten Arbeit verrichten. Das heißt für uns, das wir auf der Seite derjenigen stehen, denen noch nicht mal die minimalsten Rechte, zum Beispiel ein legaler Aufenthaltsstaus gewährt wird, und auf Seite derer, die so in die Illegalität gedrängt werden. Das heißt für uns die kollektive soziale Aneignung, das Beharren darauf, dass alle (weltweit und egal welche Leistung sie bringen) das Recht auf ein schönes Leben haben und dass wir nicht vorhaben, darauf zu warten, dass es jemand anderes für uns richten wird.

Kommt zum Wir-Wollen-Alles-Block!

ACT! März 2004
[Antifaschistische Linke Berlin · Autopool · FelS · ¡Subversion International!]

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Wir-Nehmen-Uns-Was-Wir-Brauchen, das heisst für uns in Berlin auch Kampf um öffentliche Räume, die privatisiert werden. Die Privatisierung von öffentlichen Räumen bedeutet die verstärkte Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen, die häufig schon am Rande der Gesellschaft stehen. Während die Landesregierung den Vertretern der deutschen Wirtschaftsavantgarde ein vorher mit städtischen Geldern renoviertes Gebäude für die Einrichtung einer Eliteuniversität mietfrei überlässt, ziehen sich die Verhandlungen um ein soziales Zentrum in Berlin seit Monaten in die Länge. Durch die Demonstration wollen wir für die praktische Umsetzung des sozialen Zentrums in Berlin einen Schritt weiterkommen. Dazu müssen wir viele sein.
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DEMONSTRATION im Rahmen des europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau 03.04.2004 · Alexanderplatz · Berlin · Kundgebung 10 Uhr · Demo 11 Uhr

Abends Soliparty im Ostflügel der Humboldt-Uni

UnterstützerInnen: [Stand: 27.03.04]
ak - analyse + kritik, Antifa Aktion Lüneburg / Uelzen, antifa aktion hannover [aah], Antifaschistisches Bündnis Marzahn/Hellersdorf, Archiv der sozialen Bewegungen Bremen, Autonome Antifa - J - Frankfurt a. d. O, AVANTI - Projekt undogmatische Linke, Fantômas, Funk The System Berlin, Initiative Storch-Jena, Libertäre Harburg, Linkeseite.de - Webportal, Organisierte Autonomie Nürnberg, Potsdamer Mobilisierungstreffen "Wir wollen alles", [`solid] Bremen, [`solid]36 - socialist youth kreuzberg
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